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Das waren noch Zeiten …

… als es noch richtige Sommerlöcher gab. Die Politik hatte sich in den Urlaub verabschiedet, und das Volk lag auf Malle im Liegestuhl. Die Bundesliga legte eine Pause ein. Eine ereignisarme Zeit legte sich über das Land.

Doch dann, wie bestellt, kam Bewegung in die Massenlethargie. Da stapfte Bruno, der Bär durch die bayerischen Wälder und wurde zum Medien­ereignis. Horden von Redakteuren und Fotografen versorgten uns mit Informationen über das, was Bruno so trieb. Auch wenn er tagelang nicht zu sehen war. Egal. Hauptsache, das Sommerloch wurde gefüllt.

Da sahen wir wochenlang Bilder vom putzigen Eisbärbaby Knut. Knut wird von Wowereit geknutscht. Knut tummelt sich mit seinem Pfleger im Wasserbecken. Knut hier, Knut da, Knut überall und weltweit in den Medien.

Und dann Yvonne. Die knuffige, braun-weiße Kuh Yvonne aus Bayern. Sechs Jahre als Milchkuh gehalten, hatte sie ausgedient und wurde von einem Landwirt gekauft. Der wollte sie mästen und dann schlachten. Yvonne hatte mächtig zugelegt und der Schlachter schon seine Messer gewetzt. Doch die clevere Kuh machte sich buchstäblich vom Acker und marschierte schnurstracks ins Sommerloch. Da war es wieder. Unser Medienspektakel. Drei Monate hielt uns Yvonne in Atem, und wir drückten ihr ganz fest die Daumen, dass sie nicht dem Schlachter ins Messer lief. Yvonne war Thema aller Medien von Indien bis Südafrika. Songs wurden auf die Kuh geschrieben, Gedichte verfasst. Und dann war alles vorbei: Yvonne landete auf einem Gnadenhof und verschwand aus den Medien.

In diesem Sommer allerdings war es ganz anders. Kein Bruno oder Knut, auch keine Yvonne. Das Sommerloch wurde mit harter Realität zugeschüttet. Immer wieder dröhnten Stammtischparolen aus dem tiefen Bayern in unsere Ohren. „Asylmissbrauch verhindern“ wollte uns der Alpen-

könig einhämmern. Und bevor wir uns überlegt hatten, was der wohl meint, waren sie schon da. Die sogenannten Asylmissbraucher. Wir sahen Bilder von eingepferchten Menschen auf griechischen Urlaubsinseln. Vollgepfropfte Flüchtlingsboote im Mittelmeer. Ungarische Polizisten, die auf Menschen einprügeln. Das sah nicht nach Asylmissbrauch aus. Was wir sahen, war die nackte Ohnmacht der Politik. Und als die Ersten dann in München ankamen, war Frauchen am Bahnhof und hat alle herzlichst begrüßt. Da war ich mächtig stolz auf sie.
Euer Viktor