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Zu früh gefreut …

 

Frauchen glaubte früher gerne an die Aussagen von Wissenschaftlern. Die konnte sie dann gut in ihren Artikeln unterbringen. „Das gibt dem Ganzen so einen seriösen Anstrich“, sagte sie dann manchmal, während sie versuchte, einen Artikel noch rechtzeitig vor dem Redaktionsschluss fertig-

zustellen. Aber in letzter Zeit kommen nicht mehr so viele Zitate aus der Wissenschaftsecke. Ihr Glaube an die Wissenschaft ist deutlich zurückgegangen.

Frauchen beschäftigt sich ja nun einmal –

rein dienstlich natürlich – mit Getränken, auch mit alkoholischen. Gerade hier hilft die Wissenschaft offensichtlich nur wenig weiter, denn in der Alkoholdiskussion hat offensichtlich jede Seite „ihre“ Wissen-schaftler. Geht es um die angeblichen oder tatsächlichen Gefahren des Alkohols. Stellte ein Wissenschaftler zum Beispiel fest, dass beim regelmäßigen Alkohol-konsum in kleinen Mengen die gesundheitlichen Gefahren gar nicht so groß waren, dann war das natürlich ein von der Alkoholindustrie gekaufter Wissenschaftler. Warnte dagegen ein Wissenschaftler vor den Gefahren des Alkohols schon in kleinen Mengen, dann war das aus der Sicht der Gegner natürlich ein objektiver Wissenschaftler, an dessen Ergebnissen keinerlei Zweifel erlaubt waren.

Manchmal freuen sich die Alkoholgegner aber auch zu früh, wenn sie bestimmte wissenschaftliche Ergebnisse lesen. So stellten vor kurzem Wissenschaftler aus Mannheim fest, dass Kinder und Jugendliche, die im Alter zwischen 12 und 14 zum ersten Male Alkohol trinken, auch später im Leben öfter und mehr zur Flasche greifen. Wer also verhindern will, dass Kinder und Jugendliche später zu Alkoholikern werden, der muss verhindern, dass sie so jung schon zur Flasche greifen. Das hatten alle Suchtexperten natürlich schon immer gewusst und schon kamen die alten Forderungen wieder hoch: Werbung für Alkohol komplett verbieten*, Steuern für alkoholische Getränke weitere erhöhen*, größere Zugangsbarrieren aufbauen*, kein Verkauf von Alkohol mehr ab 22:00 Uhr und so weiter

(* = Nichtzutreffendes bitte streichen!).

Zu früh gefreut hatten sich aber jetzt die Suchtexperten, die die Studie nur bis zu diesen Ergebnissen gelesen hatten. Denn später hieß es: Junge Menschen, die schon vor dem zwölften Lebensjahr Erfahrungen mit alkoholischen Getränken gesammelt haben, neigen demnach weniger zu einem erhöhten Alkoholkonsum als die, die erst später damit anfangen. Das bedeutet ja dann wohl im Umkehrschluss: Je früher man mit dem vernünftigen Alkoholkonsum anfängt, desto weniger trinkt man dann später – oder was soll uns diese Studie sagen? (Süddeutsche Zeitung, 18.05.2013)

Verstehen Sie jetzt, warum Frauchen Wissenschaftlern immer weniger traut, sondern sich mehr auf ihren gesunden Menschenverstand verlässt?

Euer Viktor