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Der neue Weg in den hohen Norden

von Paula Redes Sidore und Stuart Pigott

Im hohen Norden existiert keine imposante Mauer aus Eis, die die Grenzen des Weinanbaus definiert. Die Realität ist deutlich banaler: eine wissenschaftliche Unterscheidung zwischen dem “Unwirtlichen” und dem, was als “Cool Climate” gilt, als kühle Weinbauzone. Und diese Grenze verschiebt sich ständig. Die allgemeine Öffentlichkeit und auch viele Vertreter der Weinbranche sind sich dessen aber nicht wirklich bewusst. Die einzige Mauer existiert in unseren Köpfen, und es ist an der Zeit, sie einzureißen.

Im 20. Jahrhundert galt der 50. nördliche Breitengrad als effektive nördliche Grenze des experimentellen und kommerziellen Weinbaus. Diese Grenze hat sich inzwischen weiter nach Norden verschoben – und nicht nur wegen des Klimawandels. Weinproduzenten verfügen heute über die entsprechende Technik, Faktoren wie Reifezeiten besser zu verstehen, und kultivieren Hybriden, die besser an die strengen Verhältnisse angepasst sind. So wird der Weinbau in der Nähe des 55. nördlichen Breitengrads (England) und des 58. nördlichen Breitengrads (Dänemark) praktikabel. Wahrscheinlich wird es bald noch weiter gen Norden gehen, zum 60. nördlichen Breitengrad (Oslo/Norwegen).

Zurück in den klassischen kühlen Weinbauzonen wie Nordfrankreich und Deutschland werden inzwischen konsistent reife Jahrgänge gelesen (dass in allen deutschen Weinbaugebieten in einem Jahrgang grüne Aromen weitverbreitet waren, war im Jahr 1987).

In Nordamerika wird in allen 50 Bundesstaaten kommerziell Wein produziert – selbst in den verschneiten Staaten, die wir aus Filmen und Serien wie “Fargo” kennen. Im Folgenden ein paar Beispiele für Regionen, in denen es inzwischen erfolgreiche Anpflanzungen gibt, obwohl man das vor nur 20 Jahren noch für unmöglich gehalten hätte.

England

Weinreben respektieren geologische Grenzen eher als politische. Um die aufstrebenden Weinregionen zu verstehen, ist es daher wichtig, auch genauer zu betrachten, was unter der Erdoberfläche geschieht – nicht nur darüber.

Im Fall von Großbritannien formt das gleiche geologische Becken die berühmten weißen Klippen von Dover und nahe gelegene Hänge in Kent und Sussex, auf denen Wein angebaut wird, das auch der Champagne den charakteristischen kalkhaltigen Boden verleiht. Mit verbesserter Technologie und Temperaturen in Südengland, die inzwischen denen entsprechen, die in den 1980ern in der Champagne gemessen wurden, erlaubte es die längere Wachstumssaison dem Vereinigten Königreich, als bedeutender Akteur in den Markt für Qualitätsschaumwein einzusteigen.

Laut der Vereinigung der englischen Weinproduzenten, den English Wine Producers, hat das Vereinigte Königreich in den letzten zehn Jahren einen Anstieg von 135 Prozent erlebt, was die Anzahl der gepflanzten Reben betrifft (insgesamt 1.821 Hektar), sowie einen ständigen Anstieg im Verkauf von englischem Wein – sowohl auf dem heimischen Markt als auch im Ausland.

Laut Stephen Skelton, MW und Regionalvorsitzender bei den Decanter World Awards 2017, wurden 2017 so viele Weinreben in England gepflanzt wie in noch keinem Jahr zuvor. Während die größeren, bereits gut etablierten Akteure wie Nyetimber und Ridgeview weiterhin exzellente Premiumschaumweine produzieren, macht sich auch eine steigende Anzahl von Neulingen einen Namen.

Da sind zum Beispiel Camel Valley aus Cornwall mit von Honigaromen geprägtem Stil oder Hush Heath, die mit der floralen Intensität ihrer preisgekrönten Rosés begeistern. Oder testen Sie die breite Range von Englands größtem Winzer Denbies Wine Estate (ProWein Halle 9, Stand B39). Und wenn Sie weitere Argumente brauchen, um sich überzeugen zu lassen: Das renommierte französische Champagnerhaus Taittinger (ProWein H12, E07-15) hat viel in englisches Land investiert (40 Hektar) – die ersten Reben wurden 2017 angepflanzt. Und auch andere Champagnerhäuser haben dort investiert….

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 3/2018