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2011 Schirmjahr des Hebels

Das Jahr 2011 neigt sich dem Ende entgegen, und wir rätseln noch, ob es ein Bullen- oder Bärenjahr war. In der Finanzwelt steht der Bulle für Hausse, also steigende Kurse, und der Bär für Baisse, also fallende Kurse.
Nun wurden ja jede Menge Schirme aufgespannt. Schirme für marode Euro-Staaten. Schirme für marode Banken. Schirme für marode Parteien. Schirme für alles und jeden. Vor lauter Schirmen war der Blick in die Zukunft verklärt. Keiner konnte so richtig über den Schirmrand hinwegschauen. Die große Politik und vor allem die Bürger blickten gar nicht mehr durch.
Trotz steigender Konjunktur und sinkender Arbeitslosenzahlen hatten die Bürger ein gefühltes Bärenjahr, Stimmungstendenz fallend. Parteien verabschiedeten sich von sogenannten Volksparteien und dümpelten bei 30 Prozent in der Wählergunst. Der gelbe Koalitionspartner lag teilweise bei unvorstellbaren drei Prozent. Da musste ein gelber Rettungsschirm her: Westerwelle verzichtete auf den Parteivorsitz, Frau Homburger auf den Fraktionsvorsitz, Brüderle auf das Amt des Wirtschaftsministers.
Neue Typen braucht das Land. Rösler, Lindner, Bahr … die Facebook-Generation der FDP drängte an die Spitze. Die drei Prozent blieben. Ein Bärenjahr für die FDP. Und dann die Griechen, die mit dem Euro nur so herumgeaast hatten. Staatskasse leer gefegt, Schulden bis zum Gehtnichtmehr.
Also da musste ein erweiterter Rettungsschirm her. Einen so großen Schirm gab’s aber nicht. Den mussten die politischen Euro-Chefs erst einmal basteln. Jetzt kam der Auftritt des europäischen Superduos: Merkozy. Da wurde verhandelt, gedroht und gerechnet. Verschoben und ausgesessen. Ein Gipfel jagte den nächsten. Zu guter Letzt kam ein Schirm zustande: 440 Milliarden Euro für desolate Staaten und Banken. Der konnte aber nur auf den Weg gebracht werden, wenn alle im Euro-Land zustimmten.
Slowenien war davon aber nicht angetan. Das Parlament koppelte die Zusage an die Vertrauensfrage der Regierungschefin. Die stimmte Neuwahlen zu, und der Schirm ging durch. Innen- und Außenpolitik wurden hier mies gegeneinander ausgetrickst. Egal, der EFSF war geboren.
Doch im Hintergrund rechneten die Experten weiter. Die Summe des EFSF reichte offenbar nicht. Da müssen mehr Euros in den Schirm. Noch einen Schirm vertragen die Bürger aber nicht. Die mucken ja jetzt schon auf mit ihrer ­Occupy-Bewegung. Da kam ihnen ausgerechnet ein Grieche zu Hilfe. Der ist allerdings schon über 2.000 Jahre tot: Archimedes, der Entdecker des Hebelgesetzes.
Nachdem er das Hebelgesetz bei einem Versuch in seiner Badewanne entdeckt hatte, lief er vor lauter Freude mit dem Ausruf „Heureka“, was so viel wie „Ich hab’s gefunden“ bedeutet, nackt auf die Straße. So weit gingen die Politiker gottlob aber nicht. So wurde der EFSF von rund einer halben Billion auf eine ganze Billion Euro gehebelt.
Archimedes’ Entdeckung bleibt hoffentlich nicht der einzige griechische Beitrag zur Rettung des Euro-Landes, dachten sich unsere Politiker. Doch da kam der griechische Regierungschef mit einer weiteren griechischen Entdeckung: der Demokratie. Jetzt sollte das griechische Volk über EFSF und weitere Hebel abstimmen. Die anderen demokratischen Führer Europas schäumten vor Wut. Nach den ganzen Schirmen, die das Duo Merkozy auf den Weg gebracht hatte, kommt der Grieche mit Demokratie. Wenn wir unser Volk gefragt hätten, wären die Griechen längst pleite.
Irgendwie ist das Jahr für die Politik ein Bärenjahr. Papandreou nahm nicht nur das Referendum zurück, sondern auch sich selbst. Und der Cavaliere, der italienische Gegenentwurf zum seriösen Politiker, der seinem Volk 17 Bärenjahre beschert hat, hat einmal Wort gehalten und ist zurückgetreten. Es bleibt offen, ob die Justiz ihren Schirm über Bunga Bunga wieder zuspannt.
Yvonne dagegen hatte ein echtes Bullenjahr. Für sie ging es richtig aufwärts. Erst machte sie sich vor dem drohenden Schlachthof im sprichwörtlichen Sinn vom Acker. Dann hielt sie das ganze Land in Aufregung. Yvonne wurde mal hier, mal dort gesichtet. Da war eine Kuh, die sich gegen die Oberen aufgelehnt hatte. Das gefiel uns, ihre Popularität stieg täglich. Selbst der Pracht-Stier Ernst konnte Yvonne nicht zur Rückkehr bewegen.
Erst als Tierschützer einen Rettungsschirm aufspannten und Yvonne von ihrem Besitzer freikauften, ließ sich die Kuh, die ein Reh sein wollte, einfangen. Und lebt heute glücklich auf einem Bauernhof. Hier hat der Rettungsschirm voll und ganz gegriffen. „Gebt mir einen festen Punkt im All, und ich werde die Welt aus den Angeln heben“, hatte der Grieche ­Archimedes seinen Landsleuten damals zugerufen. In der kleinen Welt von Yvonne hat es geklappt.
Schauen wir mal, was das Jahr 2012 an Schirmen und Hebeln für uns bereithält.

Dafür alles erdenklich Gute!
Team dgw