Suche
Close this search box.

Der Biermarkt ist tot. Es lebe der Biermarkt!

Hauptstadt: Epizentrum der deutschen Brauwirtschaft

von Monika Busch., Fotos: dgw

Selten ist mehr geschehen als im vergangenen Jahrzehnt, das mit einer weltweiten Wirtschaftskrise – dem Platzen der Dotcom-Blase – begann und mit einer weiteren endete.
Mit der weltweiten Finanzkrise endete auch die europäische Sonderkonjunktur, die insbesondere den Volkswirtschaften in Mittel- und Osteuropa über fast zwei Jahrzehnte hinweg große Wachstumszahlen bescherte. Der Bier- und Getränkekonsum in Europa wuchs fast 20 Jahre. Jedoch: Diese positive Entwicklung wurde überwiegend von den Konsumenten in Mittel- und Osteuropa getragen, während in vielen Märkten Westeuropas der Trend beim Getränkeabsatz häufig nach unten wies.
Diese gegenläufigen Entwicklungen im europäischen Getränkekonsum fanden im Jahr 2009 ein jähes Ende, alle Märkte gerieten unter Druck.
Glaubt man den britischen Marktforschern von Canadean, wird sich in diesem Jahr die Schere zwischen Westeuropa und Mittel- beziehungsweise Osteuropa wieder öffnen. Schon 2010 soll der Getränkeabsatz in Mittel- und Westeuropa wieder steigen und 2011 deutlich an Fahrt gewinnen. Für den Bierabsatz in diesen Märkten prognostiziert Canadean Steigerungen für 2010 um 0,1 Prozent und für 2011 um 1,6 Prozent im Vergleich zu 2010.
Getrunken wird immer – aber was? Eine Tatsache, die auf die Getränkebranche beruhigend wirken könnte. Es gilt, die Konsumenten von einer bestimmten Getränkekategorie und selbstredend von seiner eigenen Marke zu überzeugen.
Branchen-Insider schätzen das Wachstum des weltweiten Biermarkts von derzeit 1,922 auf 2,222 Milliarden Hektoliter im Jahr 2010. Laut Plato Logic zählten 2009 zu den Top-5-Braukonzernen weltweit Anheuser-Busch InBev mit einem Absatzvolumen von etwa 350 Millionen Hektolitern, gefolgt von SABMiller mit knapp 250 Millionen Hektolitern, Heineken mit circa 200 Millionen, Carlsberg mit rund 125 Millionen und Tsingtao mit etwas mehr als 50 Millionen Hektolitern. Damit halten diese Konzerne einen Marktanteil von circa 50 Prozent am Weltbiermarkt. Und zudem haben alle gemeinsam auf der Agenda die quartalsmäßige Gewinnsteigerung.
Rezession hin oder her, Finanzmärkte und Aktionäre machen Druck. Große Herausforderungen für die Akteure, bei den Kosten wird weiterhin der Rotstift angesetzt. Erhöhter Preisdruck, Discountmacht, Konsumzurückhaltung und Nachfragerückgang bei gleichbleibend hohen Ansprüchen der Konsumenten an Marken- und Verpackungsvielfalt stehen für weitere Konzentration der Branche. Ergo wird es weitere Standortschließungen und Rationalisierungen geben.
Weltmeister der Biertrinker sind, trotz des geschätzten Konsumrückgangs 2009 von rund sieben Prozent, die Tschechen. 2008 trank der durchschnittliche Tscheche 155 Liter. Laut den Angaben des Deutschen Brauer-Bundes ist der Pro-Kopf-Konsum von rund 138 Litern im Jahr 1994 um 21 Prozent auf 109,6 Liter im Jahr 2009 gesunken. Und mittlerweile werden etwa 23 Prozent des deutschen Biers mit internationaler Beteiligung gebraut. Nicht nur Bier, sondern alle alkoholhaltigen Getränke sind vom Konsumrückgang, dem Preisdruck durch den Handel bis zur angedrohten Steuererhöhung sowie den diskutierten Werbe- und Verkaufsverboten betroffen. Die Unternehmen sind mehr denn je gefordert – eine Antwort: Konsolidierung, insbesondere im mittleren und oberen Segment.
Ein deutlicher Gegentrend, wie der Brauer-Bund-Präsident anlässlich der Jahrespressekonferenz feststellte, sei aber auch, dass gerade Braustätten im mittleren Marktsegment nach Übernahmen zum Teil geschlossen worden seien. Mittlerweile seien durch diese Konzentrationsbewegung rund 14 Prozent der Branche für 95 Prozent des Bierausstoßes in Deutschland verantwortlich. Was im Umkehrschluss bedeutet: Die Mehrheit der deutschen Brauereien stößt insgesamt nur rund fünf Prozent des deutschen Biers aus.
Nach wie vor ist Bier Deutschlands Nationalgetränk und nicht wegzudenken. Etwa ein Drittel der Deutschen trinkt einer Verbraucheranalyse zufolge mindestens einmal wöchentlich Bier. Für fast sieben Prozent der Deutschen bleibt Bier ein tägliches Getränk. Fakt ist jedoch, dass die Trinkgewohnheiten sich hierzulande verändert haben. 2003 haben die Deutschen erstmals mehr Wasser als Bier getrunken. Insbesondere die Gastronomie hat mit starken Umsatzeinbußen zu kämpfen. In Krisenzeiten genießen die Deutschen lieber zu Hause.
Laut Nielsen-Handels-Panel stiegen die Umsätze 2009 für die Alkoholbranche um 3,7 Prozent. Dem Nielsen-Retail-Panel zufolge stieg der Bierabsatz 2009 im Handel – ursächlich durch VKF-Maßnahmen gestützt – um 1,1 Prozent auf 62 Millionen Hektoliter. Die Getränkeabholmärkte setzten 3,5 Prozent mehr Bier und Biermix ab. Alkoholfreie Biere erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Und Biobieren wird – wenngleich auch auf niedrigem Niveau – Wachstumspotenzial attestiert.
Never ending story …
Ende gut, alles gut?

Mit den Beschlüssen auf dem diesjährigen Brauertag in Berlin scheint die langjährige und mehr als zähe Debatte über eine neue Verbandsstruktur geendet zu haben.
Die im letzten Jahr in Darmstadt beschlossene Satzung hat Bestand. Größere Brauereien und Brauereigruppen können neben einer Mitgliedschaft in einem Landesverband gleichzeitig auch die Direktmitgliedschaft im Bundesverband erwerben. „Der Brauer-Bund steht jeder Brauerei offen. Zur solidarischen Mitarbeit sind alle herzlich eingeladen. Wir sehen nach vorne. Unsere Mitglieder verlangen zu Recht, dass professionelle ¬Sacharbeit in Brüssel, in Berlin und in den Regionen absoluten Vorrang genießt“, lautete der Appell des Brauer-Bund-Präsidenten Wolfgang Burgard. Und er führte weiter aus: „Wenn auch die Aufgabe der Zusammenführung von unterschiedlichen Positionen und Interessen in unserer Branche nicht immer ganz leicht ist, bin ich auch weiterhin guter Hoffnung, dass wir auch in Zukunft gemeinsam mit einer Stimme durch den Deutschen Brauer-Bund sprechen und auftreten werden.“ Genährt wird diese „gute Hoffnung“ durch die Rückkehr von InBev Deutschland als erstem Direktmitglied. Fest steht: Der Brauer-Bund ist finanziell nicht in „guter Hoffnung“. Die begonnenen Verschlankungsmaßnahmen müssen weitergeführt werden. Nach weiteren Kosteneinsparungspotenzialen wird gefahndet.
„Ich bin fester Überzeugung, dass wir unseren Erfolgskurs fortsetzen werden, auch, um den Deutschen Brauer-Bund gestärkt im nächsten Jahr in den 140. Geburtstag zu führen“, lautete Burgards Kommentar zur Verbandssituation.
An der Situation und Branchenstruktur werde sich in den nächsten Jahren wenig ändern, ist Burgard überzeugt. Lediglich im oberen Segment werde sich die Kon …

Die vollständige Redaktion finden Sie in unserer Print-Ausgabe 08/2010